Worin liegt der Unterschied zwischen Adaption und Akklimatisation
Beim Bergsteigen ist desöfteren die Rede von Adaption und Akklimatisation wenn es darum geht, in große Höhen hinaufzugehen. Worin liegt denn der Unterschied zwischen den beiden Begriffen? Ist das eine eine Bedingung für das andere, um Berge ab 4000m zu erklimmen?
1 Antwort
Wenn man unvermittelt in große Höhe kommt (z.B. mit Seilbahn über 3000 bis 3500 m), entsteht wie ein Sauerstoffdefizit, das durch schnellere Atmung ausgeglichen wird. Gleichzeitig mit der Atemfrequenz steigt auch der Puls. Das ist auf Dauer natürlich nicht wünschenswert, denn die Verschnellerung all dieser Prozesse erhöhen den Energiebedarf des Körpers. Dieser, Adaption genannte, Prozess ist entsprechend als akute Krisenreaktion zu verstehen; trifft der Körper diese Situation über eine längere Zeit (ein paar Stunden oder mehr) an, dann läuft quasi ein Notfallprogramm an, das besagt, dass nun verstärkt rote Blutkörperchen gebildet werden müssen, um die energieaufwendige Situation zu beseitigen und zum Zustand der möglichst vollständigen Akklimatisation für die gegebene Höhe zu kommen. Durch die schnellere Atmung geht auch mehr Flüssigkeit verloren.
Unter Akklimatisation versteht man die vollständige Anpassung an die Höhe, d.h. der Blutkreislauf funktioniert wie zuhause - man bewegt sich wie zuhause, der Pulswert ist auf dem heimatlichen Normalwert. Akklimatisation ist ein langsamer Prozeß, da er durch Veränderung der Blutzusammensetzung gesteuert wird. Im wesentlichen ist das eine Erhöhung der Anzahl roter Blutkörperchen, damit mehr Sauerstoff transportiert werden kann. Dadurch wird das Blut übrigens auch verdickt. Da es für die Atmung keinen derartigen "Trick" zur Effizienzsteigerung gibt, bleibt die Atemfrequenz auch bei guter Akklimatisation höher als zuhause. Das "Aufbauprogramm" wird durch erhöhte Ausschüttung von Epo aktiviert, die durch einen Höhenreiz ausgelöst wird, d.h. eine neu erreichte Höhe, für die der Körper bislang nicht angepasst war. Diese Ausschüttung kommt innerhalb einiger Stunden zu einem Maximum und nimmt dann wieder ab. Die Bildung der roten Blutkörperchen, die dadurch anläuft, ist aber ein sehr langsamer Prozess. Er kommt erst nach etwa zwei bis drei Wochen zu einem Maximum und nimmt danach wieder ab. Für eine möglichst gute Akklimatisation gibt es die folgenden (empirischen) Regeln:
Während eines kontinuierlichen Aufstiegs oberhalb ca. 3000 m sollte man die gewonnene Höhe pro Tag nicht um mehr als 300-600 m erhöhen. Wie hoch man dazwischen während des Tages kommt, ist nicht so wichtig; entscheidend ist, um wieviel die Schlafhöhe erhöht wird.
Muss man eine Etappe mit größerem Höhenunterschied machen, sollte man danach soviele Ruhetage einplanen, dass man wieder auf den Schnitt von 300-600 HM/Tag kommt
Go high, sleep down - es scheint die Anpassungsgeschwindigkeit zu verbessern, wenn man während des Tages eine größere Höhe erreicht als die, in der man dann übernachtet. Einleuchtend als Erklärung ist, dass man durch Erreichen der großen Höhe (und Verweilen dort für mindestens eine Stunde) dem Körper ein Signal gibt, dass bessere Akklimatisation notwendig wäre. In der erreichten Maximalhöhe ist das aber energetisch nicht gut möglich. Besser kann die Anpassung in niedrigerer Höhe erfolgen, wo wieder "komfortablere" Umgebungsbedingungen hergestellt sind.
Mit ähnlicher Argumentation wie für "Go high, sleep down" kann man verstehen, dass es im Vorfeld einer Expedition nutzen kann, wenn man kurz vor der Abreise möglichst hohe Touren in den Alpen macht und auch dort hoch übernachtet, um den Grundstein für die Akklimatisation zu legen. Das ist allerdings wenig effektiv, wenn man auf der Fernreise nicht bald in die Höhe kommt sondern noch lange Zeit weit unten verbringt. Inwieweit es eine Art von "Memory-Effekt" bei der Akklimatisation gibt, ist nicht nachgewiesen. Nach persönlichen Berichten vieler Höhenbergsteiger fällt die Akklimatisation nach vorangegangenen Hochtouren (>4000m) leichter als ohne, auch wenn das nur Wochenendtouren in den Alpen waren und die Pausen dazwischen eigentlich zu lange waren, als dass eine Akklimatisation weiterbestanden hätte. (vgl. unten, Abbau der Akklimatisation)
Je nach persönlicher Veranlagung kann die Obergrenze für echte Akklimatisation bereits bei unter 3000 m liegen. Allem Anschein nach gibt es niemanden, der sich oberhalb 5300 m perfekt akklimatisieren kann. Das wird auch dadurch belegt, dass es nirgends auf der Welt permanente Siedlungen oberhalb dieser Grenze gibt. Als kurzer Merksatz also: Oberhalb 5300 m gibt es niemals Akklimatisation, bestenfalls gute Adaption. Und Adaption kostet Energie, also wird jeder, der lange Zeit über 5300 m verbringt, auf Dauer abbauen.
Bei ernsthaften Beschwerden ist der Abstieg immer die beste Therapie. Höhenkrankheit wird mit einem Abstieg von 500-1000 m praktisch sofort besser. Nach ein bis drei Tagen Schonung ist man daraufhin wieder voll fit. Es bringt überhaupt nichts (sondern ist ausgesprochen gefährlich, siehe HAPE/HACE), Symptome zu ignorieren und in großer Höhe zu bleiben.
Die erworbene Akklimatisation baut sich nach der Rückkehr in niedrige Höhen ungefähr so schnell ab, wie sie aufgebaut wurde. Nach der Rückkehr von einer Expedition kann man also noch ein, zwei Wochen z.B. an Wochenendtouren in den Alpen profitieren.
Unterhalb von 2500 m tritt kein Höhenreiz auf. Zur "Vorakklimatisation" vor einer Expedition ist also eine Schlafhöhe von mindestens 2500 m nötig. (vgl.Hartmut Bielefeldt:http://www.bielefeldt.de/akklimd.htm)